Eine Herzensangelegenheit
In der Winterpause hat das KOL-Team des FSV Friedrichsdorf seine Defensive mit Abwehrspieler Mohamad Mouma verstärkt. Der 23-jährige Syrer ist vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat geflohen und war mehr als zwei Jahre auf der Flucht – eine Odyssee von Asien über Afrika nach Europa.
Heute ist Ex-Profi Mehmet Scholl überwiegend als ARD-Fußballexperte bekannt. Vor 20 Jahren war das ganz anders: Der gebürtige Karlsruher wurde von der Öffentlichkeit nicht nur als großes Talent, sondern auch als Teenie-Idol und Mädchenschwarm gefeiert. 1996 wurde er mit der deutschen Nationalmannschaft in England Europameister, mit dem FC Bayern München hatte er kurz zuvor den UEFA-Pokal geholt. 2001 folgte der Champions-League-Titel, ebenfalls mit dem FCB. Es muss zu jener Zeit gewesen sein, als Mohamad Mouma vor dem Fernseher der elterlichen Wohnung in Damaskus auf den eloquenten Mittelfeldspieler aufmerksam wurde. „Seitdem bin ich Fan von Bayern München“, lacht der 23-jährige Syrer. Womöglich war dies auch der Zeitpunkt, als er von einer Karriere als Fußball-Profi zu träumen begann. Mit vierzehn fing er bei al-Wahda Sports Club in Damaskus mit Fußballspielen an. Er trainierte fünfmal pro Woche, parallel zur Schule und seinem Architektur-Studium – dann brach der Bürgerkrieg aus.
Von der Armee verhaftet
Was folgte, war eine fast zwei Jahre währende Flucht, eine Odyssee von Asien über Afrika nach Europa. 2013 bestieg Mohamad Mouma in Damaskus einen Bus in Richtung Libanon. Weiter ging es mit dem Flugzeug nach Alexandria. Vom Nachbarland Libyen aus wollte er über das Mittelmeer nach Europa gelangen – Ziel: Deutschland. „Ich musste 3800 Dollar für die Schleuser zahlen. In Libyen wurden wir, eine Gruppe von 13 Leuten, von der Polizei aufgegriffen und zurück nach Ägypten geschickt“, berichtet Mouma. Neun Monate verbrachte er in Alexandria, spielte bei El Ittihad. Dann ging es weiter nach Istanbul. Hier lebte er eineinhalb Jahre in einem Auffanglager für Jugendliche und lernte Türkisch, was ihm jetzt bei der Verständigung mit FSV-Trainer Metin Yildiz hilft. „Mein Plan war immer noch, nach Deutschland zu gelangen. Doch das Geld für die Flucht war nahezu aufgebraucht, und so habe ich in Istanbul begonnen, für eine Baufirma zu arbeiten“, betont Mouma. Zehn Monate später hatte er das Geld zusammen, 3900 Dollar. Von Izmir sollte es mit dem Boot nun weiter nach Griechenland gehen.
„Das Meer war so unruhig, dass uns erst am 17. Tag die Überfahrt gelang“, erinnert sich der 23-Jährige. In dem Boot, das eigentlich nur für 30 Personen zugelassen war, drängten sich 45 Menschen. Drei Stunden, 20 Minuten dauerte die Überfahrt. Alle überlebten. Der Empfang auf der Insel Samos war wenig herzlich. „Wir wurden dort von der Armee festgenommen und verbrachten acht Tage im Gefängnis“, so Mouma. Anschließend ging es von Athen aus über Mazedonien nach Serbien – die berühmt-berüchtigte Balkanroute – diesmal mit dem Zug. Dann griff die serbische Polizei 500 Flüchtlinge auf und hielt sie fest, unter ihnen war Mohamad Mouma. Wer Geld hatte, durfte gehen. „Durch den Wald in Zehnergruppen, haben sie uns befohlen“, berichtet Mouma. In seiner Gruppe hatte jemand ein Auto samt Fahrer organisiert – für 1200 Euro pro Person. „Das Geld war als Bestechung für die Beamten in Ungarn gedacht“, erläutert Mouma. Zu zehnt ging es im Mercedes weiter: Serbien, Ungarn, Österreich. Von Wien aus gelangte Mouma per Zug nach München, dann mit dem Bus nach Frankfurt. Am 11. Juli 2015 kam er in die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen. Zwei Monate später zog er nach Biebesheim nahe Darmstadt. Seit kurzem lebt Mouma in einer eigenen Wohnung in Friedrichsdorf. Der Kontakt zum FSV Friedrichsdorf war bereits im Herbst vergangenen Jahres hergestellt worden. „Über Murat Bektas, Mannschaftsbetreuer und gute Seele des Vereins“, betont Trainer Metin Yildiz. Mouma habe daraufhin eine Woche mittrainiert und auch die gesamte Vorbereitung absolviert. „Ich habe sofort gesehen, dass er einen fußballerischen Hintergrund hat“, erklärt Coach Yildiz und ergänzt: „Er ist ein guter Junge, der an jedem Training teilnimmt. Sehr fleißig und sehr ehrgeizig.“ Yildiz war es auch, der Mouma eine Anstellung als Küchenhilfe in seinem Frankfurter Restaurant „Oosten“ organisierte. Auch bei der Suche nach höherklassigen Clubs ist er ihm behilflich.
Gedanken bei der Familie
Inzwischen hat der 23-Jährige alle vier KOL-Spiele für den FSV absolviert, trotz eines Nasenbruchs, den er sich in der Partie beim EFC Kronberg zuzog. Obwohl Mouma in Sicherheit ist, seine Gedanken sind oft bei seiner Familie in Syrien. Seine Mutter, zu der er ein sehr enges Verhältnis hat, und der ältere Bruder sind nach wie vor in Damaskus. Seine 27-jährige Schwester lebt mittlerweile in Plauen. „Es ist sehr schwierig, mit meiner Familie in Syrien in Kontakt zu bleiben. An einem Tag funktioniert das Internet, am nächsten Tag wieder nicht“, berichtet der 23-Jährige. Das Wohnhaus der Familie in Damaskus ist nahezu zerstört, nur das Erdgeschoss ist noch bewohnbar. Es gebe kaum Essen und Trinken, die Ausgangssperre erschwere es seiner Familie, auf die Suche nach Lebensmitteln zu gehen, so Mouma.
Wenn man sich länger mit dem 23-Jährigen unterhält, kommt er immer wieder auf zwei Wünsche zu sprechen – den Traum von einer Karriere als Profi-Fußballer und den Traum von Deutschland. Zumindest Letzterer hat in der Realität einen Dämpfer erhalten. „Aus der Ferne denkt man, dass Deutschland ein Schlaraffenland sei. Ein Land, in dem alle Träume wahr werden können. In Wirklichkeit sind die Möglichkeiten aber auch hier begrenzt“, sagt Mouma, der nur mit dem, was er am Leib trug, nach Deutschland kam. Sein einziger Wertgegenstand – ein iPad – fiel bei der Überfahrt ins Mittelmeer.
„Sollte es beruflich oder mit dem Fußball hier nicht klappen, werde ich nach dem Krieg nach Syrien zurückkehren“, betont Mouma, der neben Mehmet Scholl auch den brasilianischen Ex-Nationalspieler Lúcio und Nemanja Vidic von Inter Mailand zu seinen Vorbildern zählt – beide Verteidiger, so wie er. Am Ende des Interviews liegt Mohamad Mouma eine Sache noch ganz besonders am Herzen: „Ich möchte mich bedanken, dass ich in Friedrichsdorf so herzlich aufgenommen worden bin – beim FSV, bei Murat, Metin und Johann Drexler und seiner Familie, die mich sehr unterstützen. Was sie für mich getan haben, werde ich niemals vergessen!“
Quelle: Taunus Zeitung